Inter­view

Pascal Müller – Archi­tekt

Pascal Müller, dipl. Arch. ETH SIA BSA leitet das Büro Müller Sigrist Archi­tekten. Die zentralen Aspekte seiner Arbeit sind nach­hal­tige Planung und Ressour­cen­scho­nung.

Auffäl­lige Fassa­den­ge­stal­tung mit Sicht­back­stein und Keramik? Pascal Müller von Müller Sigrist Archi­tekten hat in Stein­hausen, ZG mit dem Zentrum einen neuen Schwer­punkt in der städ­ti­schen Entwick­lungs­achse geschaffen.

Das ist eine gute Frage! Wir sind dazwi­schen und nennen uns selber «Team»-Architekten. Je nach Projekt inter­agieren wir mit Künst­lern und/oder Inge­nieuren. Aber sowohl von der reinen Kunst, wie auch von der Ingenieurs-Baukunst grenzen wir uns ab. Wir wollen uns auf unter­schied­lichste Ansprech­gruppen einlassen können. Darum ist für uns als Archi­tekten vor allem die Dialog­fä­hig­keit wichtig.

Herr Müller, sind Sie eher ein «Künstler-» oder ein «Ingenieur-Architekt»? Welche Art von Archi­tektur reali­sieren Sie mit Ihrem Büro?

Ihr Werk­ver­zeichnis zeigt, dass Sie sehr unter­schied­liche Gebäude bauen. Was ist die Philo­so­phie Ihres Büros?

Für uns ist die Nutz- oder Funk­ti­onsart eines Gebäudes zentral – Nutzer sollen im Zentrum eines Bauwerkes stehen. Darum fragen wir sehr früh: Wie wird das Gebäude genutzt? Wie wird darin gelebt? Wie kann man sich darin entfalten? Wie können sich Nutzer das Gebäude «aneignen»? Diesen «Raum» zu entwickeln ist für uns sehr wichtig und dem ordnen wir dann fast alles unter.

Durch diesen Ansatz erschaffen wir eine gesell­schafts­be­zo­gene Archi­tektur mit Einflüssen aus umlie­genden Quar­tieren, situa­tiven Anfor­de­rungen und städ­te­bau­li­chen Kontexten. Zudem ergeben sich daraus lang­fri­stige Konse­quenzen und wir denken über das Bauwerk in Bezug auf Unter­halt und Dauer­haf­tig­keit nach.

Über unsere Tätig­keit stehen wir im Dialog mit der Gesell­schaft und unsere Bauten sind in der Gesell­schaft veran­kert, als Ausdruck unserer Zeit. Wir suchen nicht nach etwas Rück­ge­wandtem oder nach einer Archi­tektur, die es irgendwo schon gibt und holen dies dann hierher. Nein, wir versu­chen die Archi­tektur aus dem Ort heraus zu schälen.

Lokal­bezug ist ein Krite­rium, das beginnt aber nicht beim Baustoff. Für uns ist der Baustoff ein Mittel, um Raum zu gene­rieren, die Archi­tektur auszu­drücken oder um das zu reali­sieren, was man für die Bewoh­ner­schaft darstellen möchte. Der Baustoff ist also eher zweit­rangig, jedoch ist uns wichtig, woher er kommt und wie er verar­beitet ist. Beim Zentrum Drei­klang in Stein­hausen haben wir aufgrund der harten, erdigen Klinker- und Kera­mik­fas­saden beschlossen, im Inneren eher warme Elemente einzu­setzen und uns für aufwän­dige Holz­ver­klei­dungen entschieden. Natür­lich versu­chen wir lokale Bauma­te­ria­lien einzu­setzen, aber heute ist das Bauge­werbe einem inter­na­tio­nalen Wett­be­werb ausge­setzt. Lokale Produkte nach­zu­fragen wird zudem immer schwie­riger, weil die Produkte aus dem Ausland kommen und hier durch weitere Verar­bei­tung das Prädikat «lokal» erhalten. Die Idee lokaler Baustoffe ist heute oft eher eine roman­ti­sche Vorstel­lung ange­sichts des vernetzten Marktes.

Heute kann man Baustoffe von überall herholen. Machen Sie davon Gebrauch oder bevor­zugen Sie lokale Produk­tion?

Sie haben beim Zentrum Stein­hausen im Gebäude mit den Alters­woh­nungen vorfa­bri­zierte Klin­ker­ele­mente verbaut. Wurden der Stein, sowie die Elemente von einer Schweizer Ziegelei produ­ziert?

Genau, der Stein und die Elemente wurden von einer Schweizer Ziegelei produ­ziert. Das Projekt Drei­klang ist eine städ­te­bau­liche Konfi­gu­ra­tion von zwei Gebäuden, mit drei Aufbauten, getrennt durch eine Strasse. Wir suchten nach verschie­denen Erschei­nungen für die zwei Gebäude mit ihren sehr unter­schied­li­chen Nutzungen. Mit dem Sicht­back­stein bei dem Gebäude mit den Alters­woh­nungen haben wir ein Gegen­stück zu der auffäl­ligen Kera­mik­fas­sade des Gemein­de­saals. Ursprüng­lich wollten wir mit einem glasierten Stein bei dem Alters­woh­nungs­ge­bäude arbeiten, haben uns dann aber für einen Back­stein entschieden. Auf dem Weg zur Umset­zung sind wir bei einer Schweizer Ziegelei gelandet und schnell wurde klar, dass man heute eigent­lich nicht mehr von Hand mauert. Dadurch ist das Thema der Vorfa­bri­zie­rung von ganzen Elementen aufge­kommen.

Da sind wir als Archi­tek­tur­büro darauf gekommen. Bei dem Gebäude mit den Alters­woh­nungen ging es in der Ausar­bei­tung dann relativ lange darum, wie hoch der Anteil des Klin­kers  im Gegen­satz zum Sicht­beton auf der Fassade haben soll. Der Gemein­de­saal hat eine Fassade aus glasierten und gebrannten Kera­mik­platten. Ursprüng­lich haben wir mit einem Fassa­den­tech­niker zusam­men­ge­ar­beitet und mit ihnen sind wir nach Analyse anderer Element­bau­weisen auf die Ziegelei gekommen, welche uns auch in der Detail­pla­nung unter­stützte.

Von wem wurde die Umset­zung mit einer vorge­fer­tigten Fassade ange­regt?

Haben Sie Lieb­lings­bau­stoffe?

Nein, ich entscheide aufgrund von Vor- und Nach­teilen des jewei­ligen Baustoffs. Bei unseren Projekten verbauen wir sehr unter­schied­liche Mate­ria­lien. Anhand des konzep­tu­ellen Ansatzes entscheiden wir die Mate­ria­li­sie­rung. So haben wir z.B. Stahl und Glas Bauten reali­siert, die aus einem Raster­thema heraus entstanden sind. Farben – wozu wir auch weiss zählen – inter­es­sieren uns auch sehr und sind wichtig. Also EIN Lieb­lings­ma­te­rial haben wir nicht. Jedoch finden wir hapti­sche Quali­täten span­nend.

Je grösser der Bau, umso wich­tiger ist der Bezug zum mensch­li­chen Mass­stab. Entschei­dend ist die Glie­de­rung des Volu­mens und dass ein Bezug zum Menschen entsteht. Hapti­sche Quali­täten können dabei sehr helfen und sie sind eben oftmals auch sehr akzep­tiert. Wir legen auf die Ober­flä­chen darum ein spezi­elles Augen­merk. Ein Neben­ef­fekt dabei ist, dass Mate­ria­lien mit hapti­schen Quali­täten oftmals atmungs­aktiv und somit dauer­hafter sind.

Ist die hapti­sche Qualität ein Argu­ment, um Über­bau­ungen mensch­li­cher zu machen?

Wie inter­agieren Sie bei der Baustof­feva­lua­tion mit Herstel­lern?

Da muss ich ein biss­chen ausholen. Unser Büro ist eigent­lich ein reines Wett­be­werbs­büro. D.h. wir haben prak­tisch alle Projekte in einem Wett­be­werbs­ver­fahren gewonnen. In einem Wett­be­werb ist es natür­lich so, dass man sehr früh eine Idee zeigt, wie ein Gebäude aussehen soll. Dabei ist der Vorschlag einer Mate­ria­li­sie­rung wichtig und oft schon entschei­dend. Oft treffen wir schon in dieser Phase mit Unter­nehmen Vorab­klä­rungen, damit konstruk­tive Aspekte und Mate­ri­al­wahl über­ein­stimmen.

In der Umset­zung danach wird die Mate­ria­li­sie­rung im Dialog mit der Bauherr­schaft und ihren Anliegen ausge­ar­beitet. Wir prüfen und schlagen dann alter­na­tive Mate­ria­lien vor. Oft finden wir dadurch aber heraus, dass unsere initiale Konzep­tion richtig war.

Nach­hal­tig­keit ist in den vergan­genen Jahren im Bauwesen ein bedeu­tender Begriff geworden. Wir folgen diesen Grund­sätzen schon lange, haben dies aber oftmals nicht speziell beachtet. Insbe­son­dere die Dauer­haf­tig­keit und wie man ein Haus über Gene­ra­tionen erhalten kann, ist uns immer wichtig. Zudem ist die Beur­tei­lung von «Nach­hal­tig­keit» schwierig. Was heute als nach­haltig gilt und was in 5 Jahren als nach­haltig gilt, ist nicht unbe­dingt dasselbe. Und obwohl vieles von der Konzep­tion eines Baus abhängt, ist heute der Kosten­aspekt enorm wichtig. So kann eine eigent­lich wirt­schaft­liche Mate­ria­li­sie­rung durch Zusatz­auf­wände in der Verar­bei­tung unwirt­schaft­lich werden. Dann hängt es auch vom Auftrag­geber ab, wie der Entscheid ausfällt.

Heute gibt es beim Bauen preis­liche, perfor­ma­tive, ästhe­ti­sche, inno­va­tive und nach­hal­tige Aspekte zu berück­sich­tigen. Wie stark tendieren Sie zu nach­hal­tigen Mate­ria­lien?

Mit welchen über­ra­schenden Momenten am fertigen Gebäude hatten Sie nicht gerechnet?

Für mich über­ra­schend ist die Terrasse für die Bewohner der Alters­woh­nungen. Die Terrasse ist mit Zement­platten ausge­legt und wir finden, dass die Kombi­na­tion mit dem Klin­ker­stein sehr gut funk­tio­niert. Dort oben entsteht ein geschützter und freund­li­cher Raum, der sich vom Stras­sen­ni­veau abhebt und eine ange­nehme und entspan­nende Stim­mung hat.

Zudem hat mich gefreut, dass das Gebäude von der Bevöl­ke­rung grund­sätz­lich gut ange­nommen wurde. Der Bau leistet einen wich­tigen Beitrag, den Kern von Stein­hausen mit dem Bahnhof zu verbinden – auf dieser Achse hat es eine klare Aufwer­tung gegeben. Und die paar im Dorf­kern noch erhal­tenen alten Bauern­häuser harmo­nieren gut mit dem Zentrum Drei­klang vis-à-vis. Anson­sten habe ich gehört, dass die Akustik im Saal sehr gut ist.

Die Konstruk­tion ist anspruchs­voll. Der Schich­ten­aufbau von Fassaden wird aufgrund der stetig stei­genden Dämm­an­for­de­rungen immer aufwän­diger. Beim Zentrum Drei­klang haben wir die Konstruk­tion in inten­siver Zusam­men­ar­beit mit dem Unter­nehmer abge­wägt. Entschieden haben wir uns dann für eine gehängte Fassade. Das Grund­tra­ge­werk ist Beton und die Sicht­back­stein­ele­ment sind rück­ver­an­kert, punk­tuell gehängt.

Wo liegen heute die Heraus­for­de­rungen bei Sicht­back­stein­fas­saden?

Es handelt sich hier um eine gekürzte Fassung des Inter­views mit Pascal Müller.

Müller Sigrist Archi­tekten AG
West­strasse 74, CH-8003 Zürich
www.muellersigrist.ch

Foto­auf­nahmen: © Martin Stol­len­werk