Interview

Bernhard von Erlach, Architekt

Bern­hard von Erlach, dipl. Architekt ETH SIA, führt ein Architek­tur­büro in Bern.Er baut his­torisch bedeu­tende Baut­en um und entwick­elt Neubaut­en, die sich stark aus der vorge­fun­de­nen Sit­u­a­tion ableit­en.
Bern­hard von Erlach, dipl. Architekt ETH SIA, führt ein Architek­tur­büro in Bern.Er baut his­torisch bedeu­tende Baut­en um und entwick­elt Neubaut­en, die sich stark aus der vorge­fun­de­nen Sit­u­a­tion ableit­en.

Der Berner Architekt Bernhard von Erlach hat die vielfältigen Qualitäten von Backstein auf neue Art interpretiert. In London erweitert sein futuristisch anmutender Backsteinkubus ein Wohnhaus im viktorianischen Stil. Welche Herausforderungen entstehen, wenn Londoner Kulturerbe auf eine robotergefertigte Backsteinfassade trifft?

Für mich als Architekt sind Kon­text und Ort mein­er Baut­en sehr wichtig. In Canon­bury habe ich bei eini­gen Streifzü­gen durch das Quarti­er fest­gestellt, dass bei sehr vie­len Häusern Gen­er­a­tion für Gen­er­a­tion einen Anbau gemacht hat. Es waren neue Bedürfnisse da, man benötigte mehr Platz, das Raumge­füge hat sich geän­dert. Das Verbindende all dieser Erweiterungs­baut­en ist, dass sie ganz klar als solche erkennbar sind. Die Anbaut­en heben sich von der ursprünglichen Struk­tur ab. In diesem Sinne ist der Anbau, den ich real­isieren durfte, als eine Art «Weit­er­bauen» zu ver­ste­hen. Ich habe nicht etwa ver­sucht, einen pseu­do-edwar­dian­is­chen Stil zu imi­tieren, son­dern es ist klar ables­bar, dass der Anbau aus der heuti­gen Zeit stammt.

Herr von Erlach, was ist der Grund, dass Sie im Londoner Stadtteil Canonbury einen formal reduzierten Anbau neben ein viktorianisches Wohnhaus gestellt haben? Könnte man nicht argumentieren, dass er weder subtil ist noch vom Stil her passt?

Was waren die Herausforderungen bei diesem Anbau?

Die Vor­gabe der Behör­den war, dass alles, was sich über der Umfas­sungs­mauer des Grund­stücks befind­et, als ein geschlossen­er, solid­er Kör­p­er erscheint und aus Back­stein gemacht ist.

Die über­ge­ord­nete konzep­tionelle Vorstel­lung für den Erweiterungs­bau war, dass es ein Pavil­lon wird. Der Pavil­lon ste­ht im Garten im Kon­text mit diesen wun­der­baren, teil­weise Jahrhun­derte alten Bäu­men. In seinem Innern soll das unmit­tel­bare Umfeld spür­bar sein. Ein «Tuch im Wind» war das gestal­ter­ische Bild, das ich ver­wen­det habe, um das zu ver­mit­teln. Das Tuch bewegt sich, deshalb die Wellen­form der Fas­sade. Die einzel­nen Tuch­fä­den sind gle­ich­sam die Materie und das, was sich im Innern befind­et, scheint hin­durch.

Welche konzeptionellen Vorstellungen haben Sie bei der Gestaltung umgesetzt?

Die Gebäudewand besteht aus Fertigteilen. Sind Fertigteile, ganz speziell diese Backsteine, für Sie eine Bereicherung oder wirken sie einschränkend?

Bezo­gen auf dieses Gebäude waren sie eine totale Bere­icherung. Meine Vorstel­lung, mein Konzept wurde dadurch getra­gen und die Umset­zung kon­nte noch vor der Baube­wil­li­gungsphase gek­lärt wer­den. Dank dem Ein­satz von ROB­made mussten nach der Bewil­li­gung keine Änderun­gen mehr vorgenom­men wer­den. Das war ein ganz wichtiger Beitrag dazu, dass das Gebäude so real­isiert wer­den kon­nte, wie es jet­zt daste­ht. Wäre das nicht möglich gewe­sen, hätte man zu einem ganz frühen Zeit­punkt einen anderen Weg ein­schla­gen müssen.

Der «Low­er-Ground-Floor», der ein biss­chen ins Ter­rain ein­ge­lassen ist, wurde von ihnen sofort nach dem Einzug in Beschlag genom­men. Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass man auf der Garten­seite sofort draussen sein kann. Man kann eine riesige Fen­ster­front zum Garten ein­fach offen lassen. Darüber hin­aus habe ich die Zim­merdecke so behan­delt, dass sie sehr stark glänzt. So wer­den die alten Bäume, das grüne und blaue Licht, das im Garten herrscht, gle­ich­sam ins Innere hineinge­tra­gen.

Denken Sie, Ihre Lösung gefällt den Kindern, die heute im Anbau spielen?

Beim privaten Hausbau liegt heute bereits ziemlich viel Gewicht auf Energieeffizienz und anderen Aspekten. Man fragt sich mitunter, ob die Kreativität und die Individualität zumindest teilweise auf der Strecke bleiben?

Ich denke, dass es im pri­vat­en und indi­vidu­ellen Haus­bau eine Vielzahl von her­aus­fordern­den Ein­flussfak­toren gibt. Für mich bein­hal­ten die meis­ten dieser Ein­flussfak­toren auch eine Chance. Für den Architek­ten geht es darum, über kreative Gedanken und kreatives Abwä­gen Lösun­gen zu find­en. So entwick­elt man ein Gesamt­pro­jekt, das die Her­aus­forderun­gen erfüllt. Von daher kann ich nicht sagen, dass meine Kreativ­ität eingeschränkt wäre.

Betra­chtet man so einen Sicht­stein, sieht man zwei Arten von Ober­flächen. Die rohe Ober­fläche und die behan­delte Ober­fläche. Das zeigt sehr schön das Archais­che vom Stein ein­er­seits. Ander­er­seits zeigt es auch seine grossar­tige Raf­fi­nesse, die aus dem Her­stel­lung­sprozess und durch die bes­timmte Art, wie man ihn ver­baut, resul­tiert. In den Sinn kommt mir das Chile­haus von Fritz Höger in Ham­burg. Es ist voll­ständig aus Back­stein gebaut und von höch­ster Raf­fi­nesse. Ich glaube, das ist die ganz grosse bzw. eine der ganz grossen Qual­itäten von Back­stein.

Der zweite Aspekt, den ich sehr inter­es­sant finde, ist, dass Back­stein wahrschein­lich fast über­all auf der Welt pro­duziert und auch genutzt wird. Auf­grund der Möglichkeit, ihn lokal pro­duzieren und in einem sin­nvollen Radius ein­set­zen zu kön­nen, wird Back­stein auch weit­er­hin ein wichtiger Baustoff bleiben. Und es wird auch kün­ftig sehr viele Gestal­tungsmöglichkeit­en mit Back­stein geben, in welch­er Art auch immer man ihn in einem spez­i­fis­chen Fall anwen­den möchte.

Kommen wir konkret auf Backstein und Sichtmauerwerk zu sprechen. Was verbinden Sie mit diesen Materialien?

Es han­delt sich hier um eine gekürzte Fas­sung des Inter­views mit Bern­hard von Erlach. Das ungekürzte Videoin­t­er­view find­en Sie auf dem YouTube-Kanal von Ziegelin­dus­trie Schweiz.

Bern­hard von Erlach Architekt ETH SIA
Kram­gasse 5, CH-3011 Bern
bernhardvonerlach.ch

Fotoauf­nah­men: © Leon Chew, leonchew.co.uk